Die Maurische Landschildkröte 

Testudo graeca, LINNAEUS, 1758

  • Klasse: Reptilien (Reptilia)
  • Ordnung: Schildkröten (Testudinata)
  • Unterordnung: Halsberger-Schildkröten (Cryptodira)
  • Familie: Landschildkröten (Testudinidae)
  • Gattung: Europäische Landschildkröten (Testudo)
  • Art: Maurische Landschildkröte (Testudo graeca)
  • Unterarten:  Es sind zahlreiche Unterarten definiert. Die Gliederung ist nach heutigen Erkenntnissen noch nicht abgeschlossen und wird noch weiter zahlreiche Änderungen erfahren. Aktueller Stand siehe unten.

Die Maurische Landschildkröte gehört zu den mediterranen Landschildkrötenarten (Gattung Testudo). Die Unterart Eurasische Landschildkröte (Testudo graeca ibera) ist eine sehr häufige und für Einsteiger geeignete Schildkröte zur Haltung in Menschenobhut. Andere Unterarten, insbesondere diejenigen aus den nordafrikanischen Ländern, sind ausgesprochen heikle Pfleglinge und erfordern besondere Kenntnisse und langjährige Erfahrung in der Haltung von Landschildkröten.

Östliche Unterarten und deren Vorkommensgebiete

  • Armenische Landschildkröte (Testudo graeca armeniaca): Westl. Küstengebiet des Kasp. Meeres, östl. Teil des Zentral-Kaukasus in Armenien + Türkei
  • Kaspische Landschildkröte (Testudo graeca buxtoni): Nordwest- und Zentraliran, östlicher Kaukasus
  • Eurasische Landschildkröte (Testudo graeca ibera): Südosteuropa, westl. Kleinasien, russische + georgische Schwarzmeerküste, Zentralkaukasus
    (Der Unterartname "ibera" geht auf eine antike Bezeichnung des Kura-Tales in Georgien zurück und nicht auf die iberische Halbinsel, Spanien)
  • Levantinische Landschildkröte (Testudo graeca terrestris): Südliches und östliches Kleinasien, Levante
  • Persische Landschildkröte (Testudo graeca zarudnyi): Ostiran, südliches Turkmenistan

Westliche Unterarten und deren Vorkommensgebiete

  • Cyrenaika-Landschildkröte (Testudo graeca cyrenaika):
    Libyen
  • Marokkanische Landschildkröte (Testudo marokkensis): Nordmarokko
  • Maurische Landschildkröte, Nominatform (Testudo graeca graeca): Algerien, Ostmarokko, Spanien (hier vermutlich eingeführt),
  • Sousstal-Landschildkröte (Testudo graeca soussensis): Südmarokko
  • Tunesische Landschildkröte (Testudo graeca nabeulensis): Tunesien, Ost-Algerien, Sardinien und Sizilien (vermutlich eingeführt)

Lebensweise 

Das Verbreitungsgebiet der Maurischen Landschildkröte ist riesig. Sie kommen in zahlreichen Ausprägungsformen rund um das Mittelmeer und bis östlich des Kaspischen Meeres vor. Ihr Lebensraum und die klimatischen Bedingungen sind deshalb sehr unterschiedlich. 

Unterscheidungsmerkmale der Maurischen Landschildkröte
im Vergleich zu den anderen mediterranen Landschildkrötenarten 

 

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Gehege 

Ziel einer Freilandanlage für Maurische Landschildkröten muss es sein, ihren natürlichen Lebensraum in den Mittelmeergebieten als möglichst naturnahe Landschaft nachzubilden. Die Nachbildung der Natur allein genügt in unseren Breitengraden jedoch nicht, denn unser mitteleuropäisches Klima ist für die wärmebedürftigen Landschildkröten meistens zu kalt, zu niederschlagsreich und weist eine zu geringe Sonnenscheindauer auf. Wir müssen deshalb auf technische Hilfsmittel zurückgreifen, um trockene Bereiche mit erhöhten Temperaturen zu schaffen. Ein Frühbeetkasten mit Wärmelampe ist die einfachste Möglichkeit, dies zu erreichen. Der Treibhauseffekt erhöht bei geringer Sonnenbestrahlung sofort die Temperaturen im Frühbeetkasten, die Wärmelampe überbrückt Schlechtwetterperioden.

Eine Innen- bzw. Terrarienhaltung ist für die artgerechte Haltung von Maurischen Landschildkröten nicht geeignet. Saisonale Temperaturschwankungen, ab- oder zunehmende Sonnenscheindauer sowie die nächtliche Abkühlung ist für diese Schildkrötenart wichtige klimatische Bedingungen, die nur durch eine konsequente Aussenhaltung ermöglicht werden können. Ausserdem vermag eine Innenhaltung dem grossen Bewegungsdrang dieser Landschildkröten kaum gerecht zu werden. Balkone eignen sich zur Schildkrötenhaltung nur, wenn diese windgeschützt und gut besonnt sind und für die Realisierung eines grösseren Geheges genügend Platz bieten.

Maurische Landschildkröten müssen zur artgerechten Haltung während ihrer Aktivitätsphase dauernd, das bedeutet Tag und Nacht, draussen gehalten werden.

Weitere Informationen zum Gehegebau.

Fütterung 

Mediterrane Landschildkröten sind Pflanzenfresser. Ihr vegetationsreicher Lebensraum bietet eine Fülle von Wiesenkräutern, Blütenpflanzen, Blättern, sogar Samen und Wurzeln, welche die mediterranen Landschildkröten als Nahrungsquelle nutzen. Im Jahresverlauf wechselt das Angebot von üppigem Grün zu kargen, dürren Gräsern und Blättern. Im Frühjahr herrschen frische Jungpflanzen mit Blütenständen vor, während in den Sommermonaten durch die Sonne vertrocknetes, rohfaserreiches Wiesenheu als nährstoffarmes Futterangebot überwiegt. Im Herbst hingegen lassen die ersten ausgiebigen Regenschauer die im Boden zahlreich vorhandenen Samen erneut zu frischem Grün heranwachsen. Die Natur soll unser Vorbild sein und deshalb muss auch die Fütterung in Menschenobhut der Ernährung in freier Natur entsprechen. Die Ernährung ist wohl einer der wichtigsten Punkte, die bei der Haltung von Landschildkröten zu berücksichtigen sind, um ihnen auch in Menschenobhut ein langes, gesundes Leben zu gewährleisten. Bei der Fütterung der Schildkröten ist einerseits auf die Zusammensetzung der Futterarten sowie andererseits auf die Futtermenge Acht zu geben.

Weitere Informationen zur Fütterung.

Vermehrung und Aufzucht 

Die Aufzucht von Maurischen Landschildkröten sollte sich an der Natur orientieren. Schildkrötenaufzuchten, die in Gestalt und Farbe den Tieren in freier Natur entsprechen, sind das Ergebnis einer artgerechten und nachhaltigen Schildkrötenhaltung. Die Lebensbedingungen von Jungtieren der Maurischen Landschildkröte in freier Natur weichen nicht grundsätzlich von jenen der geschlechtsreifen Schildkröten ab. Ab erstem Lebenstag ernähren sich die Jungtiere gleich wie ihre Elterntiere und auch sie halten während der kalten Jahreszeit, sofern aus Europa stammend, bereits im ersten Jahr eine Winterstarre. Einen wichtigen Unterschied gibt es allerdings: Jungtiere haben einen höheren Feuchtigkeitsbedarf. Ausserdem müssen Jungtiere aufgrund ihrer geringen Grösse vor Fressfeinden geschützt werden.

Mit dem Versuch, Schildkröteneier erfolgreich auszubrüten, übernimmt der Schildkrötenhalter die Verantwortung, alles zu tun, um die Schlüpflinge artgerecht zu halten und zu gesunden, geschlechtsreifen Schildkröten heranwachsen zu lassen. Verantwortungsbewusste Schildkrötenhalter erzielen deshalb nur so viele Nachzuchten wie sie selber halten oder an andere Halter abgeben können. Zu viele "überzählige" Schildkröten finden immer noch den Weg in die Auffangstationen der SIGS oder werden einfach ausgesetzt. Es ist wünschenswert, dass sich die Schildkrötenhalter selber eine Beschränkung auferlegen und, wenn überhaupt, nur in geringer Zahl Eier ausbrüten.

Weitere Informationen zur Vermehrung und Aufzucht.

Überwinterung 

Kalte Temperaturen und fehlendes Futterangebot zwingen die wechselwarmen Wirbeltiere, die kalte Jahreszeit in der sogenannten Winterstarre zu überdauern. In diesem Zustand verharren sie regungslos, die Körpertemperatur gleicht der tiefen Temperatur der Umgebung. Herzschlag, Atmung und Stoffwechsel sind stark reduziert. In freier Wildbahn halten die Maurische Landschildkröten mit europäischer Herkunft bedingt durch die tiefen Wintertemperaturen in ihrem Lebensraum eine Winterstarre. Dies gehört zum natürlichen Jahreszyklus dieser Schildkröten.

In Winterstarre fallen sowohl geschlechtsreife Tiere als auch Schlüpflinge bereits im ersten Winter nach dem Schlupf. Deshalb sollen die Maurischen Landschildkröten mit europäischer Herkunft jeden Alters auch in Menschenobhut eine kontrollierte Winterstarre halten können. Maurischen Landschildkröten mit europäischer Herkunft die Winterstarre zu verwehren ist Tierquälerei. Es gibt nur einen einzigen Grund die Überwinterung künstlich zu verhindern, nämlich dann, wenn eine Schildkröte vor der Überwinterungsphase erkrankt oder verletzt ist.

Während die Maurischen Landschildkröten aus Europa eine ununterbrochene Winterstarre von mehreren Monaten, vergleichbar mit der Griechischen Landschildkröte, halten, sind jene aus Nordafrika im Winter aktiv und halten in der heissen Jahreszeit eine Sommerruhe. 

Weitere Informationen zur Überwinterung.

Tunesische Lanschildkröte (Testudo graeca nabeulensis)

Immer wieder gelangen Tunesische Landschildkröten Testudo graeca nabeulensis illegal in die Schweiz. Diese werden in Tunesien auf praktisch allen Touristenmärkten unter erbärmlichen Bedingungen angeboten und von den Urlaubern dann oft aus Mitleid gekauft. Tunesische Landschildkröten sind aber heikle Pfleglinge und ihre Haltung unterscheidet sich deutlich von jener europäischer Landschildkröten.

 Artenschutzstatus: CITES (Anhang 2)

Die Maurische Landschildkröte ist in ihren Ursprungsländern wie alle mediterranen Landschildkröten vom Aussterben bedroht. Intensivierte Landwirtschaft, Brandrodung, steigener Tourismus sowie Austrocknung der Gebiete dezimieren die Habitate der europäischen Landschildkröten empfindlich.

Verfasser: Stefan Kundert, © Schildkröten-Interessengemeinschaft Schweiz (SIGS) 2023